Dann ist es Zeit, über Sinn zu sprechen.
Nicht Druck und Routine, sondern Sinn ist der Zündfunke für echtes Lernen.

Es war ein einziger Satz meiner Tochter, der mir die Augen öffnete.
„Mama, die Wettbewerbe waren das Einzige, was mir in der Schule Spaß gemacht hat.“
Während der Unterricht sie ermüdete, weckten genau diese Herausforderungen ihren Forschergeist. Kein Druck, keine Angst, nur Neugier, Begeisterung und Flow. Und plötzlich wurde mir klar: Sie wollte nicht weniger leisten. Sie wollte mehr, sie wollte fühlen, was sie lernt.
Manchmal sind es nicht die Noten, die ein Kind zum Strahlen bringen. Manchmal ist es ein einziger Satz, ein einziges Projekt, ein Wettbewerb. Etwas, das Sinn macht und plötzlich fließt Energie.
Meine Tochter hat ihre alte Schule verlassen. Mit einem Zeugnis in der Hand, das erahnen lässt, was in ihr schlummert und mit einem Herzen, das in den letzten Jahren viel getragen hat, vielleicht zu viel.
Und doch hat sie Großartiges geleistet. Sie hatte sich während des Schuljahres für einige nationale und internationale Wettbewerbe gemeldet, bei denen sie Spitzenplätze erreichte. Ohne spezielle Vorbereitung, ohne Nachhilfe, einfach so. Weil sie das Thema spannend fand, weil es sie gepackt hatte.
Ausgerechnet in einem Bereich, in dem sie in der Schule mit Ängsten, Blackouts und innerer Blockade kämpfte.
Wie passt das zusammen?
Die Antwort ist: Es geht nicht um Können. Es geht um Sinn.
Langeweile und Überforderung sind zwei Seiten derselben Medaille
Wer Kinder nur nach Leistung beurteilt, sieht oft nicht, was wirklich in ihnen vorgeht. Was wie „Verweigerung“ aussieht, ist manchmal ein stiller Protest gegen das Gefühl der Sinnlosigkeit. Und was wie „Überforderung“ wirkt, ist oft das Ergebnis eines Systems, das nicht auf Individualität, sondern auf Gleichschritt ausgerichtet ist.
Bei meiner Tochter traten Langeweile und Überforderung teils gleichzeitig auf.
Sie fühlte sich blockiert durch Aufgaben, die sie als unsinnig empfand. Sie schob sie auf, verlor Energie, zweifelte an sich selbst. Und gleichzeitig arbeitete sie nachts mit brennender Neugier an komplexen Themen, die sie selbst gewählt hatte mit Leichtigkeit, mit Ausdauer, mit echter Begeisterung. Das Problem war nie ihr Talent. Das Problem war das Fehlen eines inneren Zugangs.
Sinn ist der unsichtbare Motor
Ich habe oft erlebt, wie sich ihr gesamter Zustand veränderte, sobald sie einen Sinn in einer Aufgabe erkannte.
Ein einfaches Beispiel: Wenn man ihr sagte, dass man mit bestimmten mathematischen Gleichungen Handytarife vergleichen kann - zack, war der Zugang da.
Oder wenn sie vorschlug, statt starrer Reaktionsgleichungen eine Präsentation zu Orbitalmodellen zu erarbeiten, weil sie dort intuitiv den tieferen Zusammenhang spürte. Doch statt Offenheit für diesen Ansatz bekam sie manchmal zu hören, das sei zu kompliziert, nicht vorgesehen, könnte die anderen in ihrer Klasse verwirren.
Vielleicht stimmt das sogar, vielleicht auch nicht.
Was sicher stimmt: Kinder wie sie brauchen Möglichkeiten, ihre eigenen Wege zu gehen. Nicht, weil sie etwas Besseres sind. Sondern weil ihr Denken anders funktioniert. Sie fischen nicht gerne an der Oberfläche, sie tauchen gerne tief in die Materie ein, die ihr Interesse geweckt hat.
Sie sperrt sich nicht, sie sucht nur einen Zugang
Was auf andere wie Trotz oder Faulheit wirkt, ist oft nur das verzweifelte Suchen nach Sinn.
Meine Tochter will verstehen. Sie will lernen. Aber nicht alles, nicht immer, nicht auf jeden beliebigen Weg. Wenn man ihr einen Zusammenhang zeigt, einen Anwendungsbezug, eine echte Fragestellung, dann geht eine Tür auf.
Dann kommt dieser Moment, den ich gerade auch bei mir selbst erleben durfte.
Ein Flow-Moment, in dem die Müdigkeit weicht, die Konzentration zurückkehrt, das Denken leicht wird.
Weil alles plötzlich Sinn ergibt.
Weil das, was man denkt, fühlt, lernt, erlebt, in Resonanz geht. Mit einem selbst. Mit dem Leben.
Kennst du diesen Gänsehaut-Moment?

„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar.“
Astid Lindgren
Was ich mir für meine Tochter und für viele andere Kinder wünsche
Ich wünsche mir nicht, dass Lehrer alles anders machen.
Ich wünsche mir nur ein bisschen mehr Zuhören. Mehr echtes Interesse. Mehr Bereitschaft, Fragen zuzulassen.
Manchmal reicht ein einziges „Erzähl mal, wie du das meinst“ statt „Das verwirrt nur die anderen“.
Manchmal reicht ein bisschen Spielraum, ein bisschen Vertrauen, ein bisschen mehr Menschsein im System Schule.
Denn diese Kinder sind nicht schwierig, sie sind nur besonders.
Und wenn wir ihnen helfen, ihren Zugang zu finden, dann werden sie nicht nur lernen,
sie werden leuchten.
SPIELRAUM
ist nicht das Gegenteil von Pflicht,
sondern die Brücke zur Begeisterung.
Ein Ort, an dem Denken tanzen darf.
An dem Fehler keine Scham auslösen, sondern Erkenntnis.
An dem ein Kind nicht mehr funktionieren muss,
sondern sich entfalten darf.
*eigene Gedanken, entstanden im Dialog mit meiner Tochter*
Für Eltern, die Ähnliches erleben:
Wenn du ein Kind hast, das scheinbar „nicht funktioniert“, das sich verweigert, aufschiebt, blockiert, schau genauer hin.
Vielleicht sucht es nur nach Sinn.
Vielleicht liegt die Lösung nicht in mehr Druck, sondern in mehr Resonanz.
Und vielleicht geht euch beiden plötzlich das Herz auf,
wenn Lernen wieder Freude macht.
Deine Gedanken, deine Erfahrungen, sie zählen.
Lass uns gemeinsam diesen Kindern die Türen öffnen, die sie wirklich brauchen.
Auch wenn ich in diesem Beitrag viel über meine Tochter geschrieben habe, über ihre Hochsensibilität, ihre besonderen Bedürfnisse und Erfahrungen, dieser Text ist nicht nur ein Appell an alle, die Kinder begleiten.
Er ist aus einem persönlichen Moment der Klarheit entstanden.
Ich schreibe als Mutter, als Begleiterin, als Mensch, der gelernt hat, zuzuhören. Und zu vertrauen.
Jedes Kind hat ein Recht darauf, erkannt zu werden. Nicht vermessen, nicht verglichen, sondern wirklich gesehen, in dem, was es bewegt, was es interessiert, wie es lernt und wer es ist.
Es braucht dafür nicht immer aufwändige Programme, Förderpläne oder Sonderkonzepte.
Was es braucht, ist eine innere Haltung von Beziehung, Offenheit und Wertschätzung.
Manchmal genügt ein einziges bewusst gewähltes Wort, eine Einladung zum Mitdenken, ein echtes Zuhören, die Bereitschaft mit dem Kind einen Tauchgang in seine Gedankenwelt zu wagen und schon steht die Türe weit offen.
Diese kleinen Momente sind es, die langfristig Großes bewirken.

„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“
Albert Einstein
Wenn Lernen sich anfühlt wie Fliegen und Schule oft wie Warten auf den Wind
dann ist es Zeit, neue Segel zu setzen.
Zeit, über Sinn zu sprechen.
Zeit, frischen Wind in unsere Schulen zu bringen.
Damit Kinder nicht nur lernen, sondern aufbrechen können,
in ein Leben, das sie wirklich berührt.
Und vielleicht beginnt genau das gleich morgen.
Mit einem offenen Ohr.
Mit einer Frage, die wirklich interessiert.
Mit einem Moment, in dem du einem Kind das Gefühl gibst:
Ich sehe dich. Du bist gemeint.
Kinder brauchen Wind.
Mal Rückenwind, der sie trägt.
Mal Aufwind, der sie über sich hinauswachsen lässt.
Manchmal auch Gegenwind, der sie erdet und stärkt.
Aber vor allem brauchen sie Erwachsene,
die beweglich sind wie der Wind,
wach, feinfühlig und bereit,
sich immer wieder neu auf sie einzustellen.

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