
Wenn ich nur darf,
wenn ich soll,
aber nie kann,
wenn ich will,
dann mag ich auch nicht,
wenn ich muss.
Wenn ich aber darf,
wenn ich will,
dann mag ich auch,
wenn ich soll,
dann kann ich auch,
wenn ich muss.
Denn schließlich:
Die können sollen,
müssen dürfen wollen!
- Renate Eggert-Schwarten -
Diese Zeilen bringen in brillanter Sprachspielerei auf den Punkt, wie wichtig Freiheit, Selbstwirksamkeit und Freiwilligkeit für Motivation und Entwicklung sind, besonders bei Kindern.
Mir fiel das Gedicht heute wieder ein. Ich dachte über meine hochsensible, oft unterschätzte, viel kritisierte Tochter nach.
„Du bist zu still“, hieß es oft.
Aber sie hatte einen Plan: Sie wollte mit dem Rennrad durch die „Grüne Hölle“ fahren, den Nürburgring bezwingen. 25 Kilometer, rund 500 Höhenmeter.
Ihr Ziel: Ankommen.
Sie kam an, mit der zwölftbesten Zeit bei den Frauen und als Erste ihrer Altersklasse.
Was für eine Leistung, nicht nur sportlich.
Sie hat sich etwas zugetraut.
Sie hat ihre innere Kraft gelebt, weil sie durfte.
Doch was mich am tiefsten bewegt, ist nicht ihre Platzierung.
Es ist ihr Leuchten.
Ihre Farbe.
Ihre Kraft.
Ihr Wieder-bei-sich-Sein.
Kinder, die dürfen, können auch leisten.
In diesem Moment hätte ich mich am liebsten mit einem Megafon auf den Schulhof gestellt und gerufen:
„Seht her, was dieses stille, tiefgründige, sensible Kind leisten kann - wenn man es lässt!“
Wenn man ihr Raum gibt, sich zu entfalten.
Wenn man sie entdecken lässt, statt zu lenken.
Wenn sie darf, und nicht muss.
Wenn es Spielräume gibt, in denen Fehler willkommene Helfer sind.
Gerald Hüther beschreibt „Entwicklung“ nicht als Fördern, sondern als Ent-wickeln. Ein Loslösen aus Erwartungen, Rollen, Beschämung.
„Wer ver-wickelt ist, kann sich nicht ent-wickeln.
Wer sich ent-wickeln will, muss sich zuerst aus der Ver-wicklung befreien.“
In seinem Kinderbuch „Wie kommt das Glück in den Kopf?“ beschreibt er Entwicklung als ein Heraus-Schälen aus einer Umwicklung, ein innerer Prozess, kein äußerer Druck. Kinder entfalten sich nicht wie Tomaten im Gewächshaus.
Sie wachsen von innen, wenn sie dürfen.
Genau das hat meine Tochter getan.
Sie war verstrickt in Selbstzweifeln, in dem Gefühl, nicht zu genügen.
Doch dann durfte sie sich ent-wickeln:
Mit einem eigenen Ziel.
Mit Freiraum.
Mit Unterstützung, wo sie darum bat.
Und mit Loslassen, wo sie allein gehen wollte.
Heute leuchtet sie.
Nicht, weil sie etwas „geleistet“ hat, sondern weil sie in sich selbst angekommen ist.
Wir brauchen Wege, die Kindern erlauben, sich zu ent-wickeln.
Sinnvolle Regeln, die flexibel genug sind, sich der Entwicklung des Kindes anzupassen.
Ein Rahmen, der Halt gibt, aber Raum lässt.
Wachsen aus dem Innersten.
Stärken entdecken und zeigen.
Das darf unsere Priorität werden.
Das Lernen geschieht dann nebenbei - mit Freude.
Mein Kind war verwickelt in innere Zurückhaltung, Abwesenheit, verlorenes Leuchten.
Aber an diesem Wochenende durfte sie sich ent-wickeln:
Mit ihrem eigenen Ziel.
Mit Vertrauen.
Mit Raum.
Mit Begleitung.
Heute leuchtet sie.
Nicht trotz ihrer Sensibilität, sondern wegen ihr.
Sensibelchen sind nicht weniger belastbar.
Sie funktionieren nur nicht unter Druck, sondern wachsen unter Würde.
Sie brauchen Raum zum Atmen, Raum zum Ausprobieren.
Lasst uns ihnen Frei-Raum und Spiel-Raum geben, aus dem Innersten heraus zu wachsen.
Denn mit einem „Du darfst“ statt eines „Du musst“ können sie zur Höchstform auffahren.
Der Druck weicht
eine Einladung tritt an seine Stelle:
„Vertrau mir. Zeig mir, was in dir steckt.“

Gerade hochsensible Kinder entfalten unter den richtigen Bedingungen eine enorme Kraft, Motivation, Tiefe
und eine berührende Klarheit.
„Wenn ich darf, wenn ich will,
dann mag ich auch, wenn ich soll,
dann kann ich auch, wenn ich muss.“
Was wir an diesem Wochenende erlebt haben, war nicht bloß ein sportlicher Erfolg.
Es war eine Verwandlung.
Sie hat sich ent-wickelt. Wie ein Schmetterling.
Und nun weiß sie: Ich kann fliegen.
Wenn sie darf. Und wenn sie will.
Eine Rückkehr zu ihrem Leuchten.
Eine Erinnerung an ihr eigenes „Ich bin“.
Für mich als Mutter?
Es war nicht der Pokal, der mein Herz bewegte.
Sondern das Strahlen in ihren Augen.
Ihr In-sich-Sein.
Ihr eigener Weg.
„Wir haben sie unterstützt, wo sie Unterstützung eingefordert hat,
und sie gelassen, wo sie alleine machen wollte.“
Wenn du dein Kind nicht verbiegst, sondern begleitest, wenn du loslässt, wo es fliegen will, dann ist das wahre Führung.
Dann ist das Muttersein in seiner tiefsten Form.
Wie soll ein Kind je in sich selbst vertrauen, wenn wir ihm nichts zutrauen?
Unser Kind hat sich etwas zugetraut, etwas erobert. Nicht nur eine Radstrecke. Sondern ein Stück Selbstwirksamkeit.
Und ich durfte Zeugin sein:
wie sie wieder zu sich kam,
zu ihrem Körper,
zu ihrer Lebendigkeit,
zu ihrer Verbindung mit der Welt.
Das war keine sportliche Etappe.
Es war eine Initiation.
Der Moment, in dem sichtbar wurde, welche Kraft entsteht, wenn ein Mensch nicht kontrolliert, sondern vertraut.
Ich liebe dich, mein Kind.
Als du geboren wurdest,
hat plötzlich alles einen Sinn ergeben.
Muttersein ist kein Titel, es ist Verbindung.
Das größte Geschenk.
Der tiefste Vertrauensbeweis des Lebens selbst.
Deine Seele hat sich mir anvertraut.
Was für eine Ehre.
Vielleicht ist das die leise, aber stärkste Botschaft:
Dass Liebe - in ihren vielen Formen - der Boden ist, auf dem Vertrauen, Entwicklung und inneres Leuchten wachsen.

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