Stille Wasser sind tief – Macht euch bereit für einen Tauchgang!

Veröffentlicht am 17. Mai 2025 um 11:14


Manchmal sprechen Kinder am deutlichsten, wenn sie still sind.

 

 

Heute hatte meine Tochter ein ungerechtes Erlebnis in der Schule. Wir haben lange darüber gesprochen, und ich denke, sie ist jetzt wieder im Reinen mit sich. Und doch blieb etwas in mir zurück – ein alter Schmerz, der sich wieder zeigte.

 

Ein stilles Kind

Denn ich erinnerte mich an meine eigene Schulzeit, in der ich mich oft nicht verstanden und nicht erkannt fühlte. Ich war ein stilles Kind, ein tiefes Wasser. Meine Worte kamen langsam, oft leise. Meine Gedanken dagegen gingen weit, sie verbanden Dinge, sahen Zusammenhänge, für die kaum jemand offen war. Zwei Lehrer hatten mich längst abgeschrieben: weil meine Eltern keine Akademiker waren, weil ich zu still war, weil ich nicht in das passte, was man unter „engagiert“ verstand. Ich war einfach aus dem Rahmen gefallen.

 

Wahrscheinlich hätten sie keinen Cent darauf gewettet, dass ich einmal die Fachhochschulreife erlangen würde.

 

Ungeahnte Potentiale

Was ich damals nicht wusste: Ich hatte ein Feuer in mir. Es war nicht laut, nicht grell, aber es brannte. Nicht weil Lehrer es in mir entzündet hätten, sondern weil ich es selbst tat. Ich begann, Geschichten zu lieben. Ich verschlang Bücher. Und irgendwann kamen auch die eigenen Worte. Schreiben wurde mein Medium, mein Zuhause.

 

Und heute? Heute liebe ich die Sprache. Ich liebe es, Gedanken in Worte zu verwandeln, Seelentiefe auf Papier fließen zu lassen, obwohl (oder gerade weil) Deutsch damals mein schwierigstes Fach war.

 

Was bleibt, sind Spuren. Glaubenssätze wie:
„Ist das gut genug?“
„Sind meine Gedanken wichtig?“
„Bin ich zu still? Bin ich falsch?“

Diese Zweifel haben sich eingeprägt, nicht durch mein Wesen, sondern durch das Bild, das andere von mir zeichneten. Ein Bild, das mehr über sie aussagte als über mich.

 

Was ich mir damals gewünscht hätte, möchte ich heute anderen Kindern mitgeben und Erwachsenen zurufen:

Schreibt Kinder nicht ab, nur weil sie leise sind.
Schenkt ihnen nicht eure Bewertungen, sondern euer aufrichtiges Interesse.
Ermutigt sie – statt sie in Rollen zu pressen.

 

Und vor allem an jedes Kind, jeden Jugendlichen da draußen:

DU BIST WUNDERVOLL.
DU BIST RICHTIG.
DU BIST GENUG.
DU BIST GENIAL.

 

Stille ist keine Leere. Sie ist ein Raum.
Ein Raum für Tiefe, für Wahrnehmung, für Verbindung.

 

Und manchmal – manchmal erinnert sie mich an eine Pferdeherde.

Wenn ich in der Nähe von Pferden bin, spüre ich es besonders. Je stiller ich werde, je mehr ich bei mir bin, desto näher kommen sie. Die Scheuen werden neugierig. Die Unruhigen werden ruhig. Sie spüren, dass da jemand ist, der nichts fordert – nur ist. Nicht laut. Nicht belehrend. Sondern einfach da sein, mit offenem Herzen und klarer Präsenz.

So reagieren viele Tiere auf stille Menschen.

 

Warum tun wir Erwachsenen uns damit so schwer?

Vielleicht, weil wir verlernt haben, der Tiefe zu vertrauen.

Vielleicht ist es Zeit, uns wieder an sie zu erinnern – in uns selbst und in unseren Kindern.

 

Denn stille Wasser sind nicht leer.


Sie sind voller Leben.


Macht euch bereit für einen Tauchgang.

 

Lasst uns unsere Haltung überdenken.

 

Lasst uns stille Kinder nicht übersehen – sondern ihnen zuhören.

 

 

 

 

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