Klopfen statt Kopfkino - wie EFT den Körper an die Hand nimmt

Veröffentlicht am 19. Oktober 2025 um 10:44

 

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit vor meinen ersten Vorträgen über Hochsensibilität.

Schon Tage vorher spürte ich diese innere Unruhe, die schlaflosen Nächte, das ständige Kreisen der Gedanken um jedes mögliche „Was, wenn…“.

Was, wenn ich den Faden verliere?
Was, wenn ich eine Frage nicht beantworten kann?
Was, wenn ich einfach nicht genüge?

 

Ich wollte es so sehr richtig machen, dass ich mir selbst eine beinahe unüberwindbare Hürde errichtete. In dieser Phase erzählte mir eine psychologische Beraterin von EFT - den Emotional Freedom Techniques.


Eine Methode, die mich zunächst neugierig, dann ehrlich überrascht hat. Denn EFT ist kein kompliziertes Therapieverfahren, sondern ein erstaunlich einfaches Werkzeug zur Selbstregulation, sanft, wirkungsvoll und für Erwachsene ebenso hilfreich wie für Kinder.

 

Bild: Freepiks

 

Was ist EFT eigentlich?

EFT steht für Emotional Freedom Techniques, auf Deutsch:

Techniken der emotionalen Freiheit.


Die Methode verbindet Akupressurpunkte aus der Traditionellen Chinesischen Medizin mit Elementen moderner Psychologie. Während bestimmte Punkte sanft beklopft oder gedrückt werden, richtet sich die Aufmerksamkeit auf ein belastendes Gefühl, zum Beispiel Angst, Stress oder Schmerz.

 

Begleitet wird das Ganze von kurzen, akzeptierenden Sätzen wie:
„Auch wenn ich jetzt Angst habe, akzeptiere ich mich so, wie ich bin.“ „Auch wenn ich nicht perfekt bin, liebe ich mich so, wie ich bin.“

Dieses Zusammenspiel aus Fokussierung und Berührung wirkt wie ein Signal an das Nervensystem:
„Es ist in Ordnung. Du bist sicher.“

 

EFT wurde in den 1990er-Jahren von Gary Craig entwickelt. Seine Grundidee: Körper, Geist und Emotionen sind untrennbar verbunden. Wenn wir emotional belastet sind, reagiert auch der Körper mit Anspannung, Unruhe oder innerem Druck.
Das Klopfen hilft, diese Verbindung wieder in Balance zu bringen.

 

Warum wirkt das Klopfen?

In Stressmomenten übernimmt das Alarmzentrum im Gehirn, die Amygdala. Sie schüttet Stresshormone aus, das Herz rast, der Atem stockt.

Beim Klopfen oder sanften Drücken bestimmter Punkte werden über die Haut beruhigende Nervenimpulse an das Gehirn gesendet. Der Körper bekommt die Botschaft: „Du bist sicher.“

 

Studien zeigen, dass EFT den Cortisolspiegel (Stresshormon) senken, das parasympathische Nervensystem aktivieren und den präfrontalen Kortex - unser Denkzentrum - wieder zugänglich machen kann.

 

So wird aus einem reinen Gedankenkarussell eine körperlich spürbare Entspannung.
Das Gehirn lernt: „Ich kann an dieses Thema denken und trotzdem ruhig bleiben.“
Alte Stressmuster verlieren mit jeder Wiederholung ihre Kraft.

 

Wie geht das Klopfen, einfach und alltagstauglich?

Für den Einstieg braucht es keine perfekte Abfolge,

sondern nur Bewusstheit und ein paar einfache Punkte.


Lege zwei Finger auf eine der folgenden Stellen, zum Beispiel die Handkante, den Punkt unterhalb des Schlüsselbeins oder den Wangenknochen unter dem Auge, und klopfe sanft oder drücke leicht, während du ruhig atmest.

Sprich dabei in Gedanken mit dir:
„Ich bin nervös, und das ist okay.“
„Ich darf ruhig atmen.“
„Ich bin sicher, auch wenn mein Herz schneller schlägt.“

Schon nach einer oder zwei Runden spürst du oft, wie sich der Körper beruhigt und der Kopf klarer wird.
EFT darf einfach sein, du kannst dich führen lassen, intuitiv und achtsam.

 

 

Ein Beispiel: Prüfungsangst

Wenn du dich auf eine Prüfung vorbereitest oder merkst, dass die Aufregung steigt, halte kurz inne.
Atme ruhig ein und aus.
Klopfe oder drücke sanft den Punkt unter deinem Schlüsselbein und sage dir:
„Auch wenn ich jetzt Angst habe, bin ich vorbereitet.“
Dann geh mit den Fingern zu einem Punkt, der sich für dich gut anfühlt, vielleicht an der Schläfe oder über dem Herzen, und wiederhole ruhig:
„Ich darf ruhig atmen.“
„Ich bin sicher.“
„Ich bin da.“

 

Diese wenigen Sekunden reichen oft, um das Nervensystem zu stabilisieren

und den Kopf wieder freizuschalten.

 

Wie funktioniert EFT für Kinder?

Kinder reagieren besonders fein auf EFT, weil sie noch spüren, was ihr Körper braucht. Schon ab etwa vier Jahren können sie mit sanfter Anleitung mitklopfen oder Punkte halten.
Wichtig ist, eine spielerische Sprache zu verwenden und sie nie zu zwingen.

 

„Ich klopfe mir Mut in den Bauch.“
„Ich bin ruhig wie ein Felsen im Meer.“
„Ich atme meine Wut-Schmetterlinge leise.“

 

So lernen Kinder, dass sie selbst etwas tun können, wenn die Welt zu laut oder zu schnell wird.
Manchmal reicht es, wenn sie die Hand auf ihr Herz legen oder gemeinsam mit dir klopfen, im Spiegel, mit einem Teddy oder auf deinem Arm. EFT kann Kindern helfen, mit Reizüberflutung, Trennungssituationen, Prüfungsangst oder Wutanfällen besser umzugehen.

 

Bei Reizüberflutung:
„Alles ist zu laut. Ich klopfe mich ruhig.“
„Ich darf mich sicher fühlen.“

Bei Veränderung oder Überforderung:
„Ich mag’s nicht, wenn sich alles ändert.“
„Ich bin trotzdem sicher.“
„Mama / Papa sind da.“


Schon wenige Minuten genügen oft, um den Stresskreislauf zu unterbrechen.

 

Die stille Variante ist die Akupressur für unterwegs

Nicht immer passt sichtbares Klopfen. In der Schule, im Gespräch oder in der Öffentlichkeit hilft die stille Variante: das sanfte Halten einzelner Punkte, kombiniert mit ruhigem Atem.

Lege zum Beispiel zwei Finger unter dein Schlüsselbein, auf den Punkt zwischen den Augenbrauen oder auf den Wangenknochen unterhalb der Pupille.
Atme tief und ruhig, während du innerlich sagst:
„Ich bin sicher. Ich darf hier sein.“

 

Auch das sanfte Berühren aktiviert das Beruhigungssystem des Körpers

- ganz leise, aber spürbar.

 

Auch Kinder reagieren sehr gut auf das ruhige Halten von Punkten. Das Drücken oder Berühren gibt ihnen körperliche Sicherheit, gerade bei Reizüberflutung oder Veränderungssituationen (z. B. neuer Lehrer, ungeplanter Ablauf). Man kann sagen: „Legen wir mal die Zauberhand auf den Mutpunkt und atmen ruhig.“

 

Gerade bei Kindern kann dieses achtsame Halten Wunder wirken: Solche kleinen Momente der Berührung sind wie Mini-Pausen für das Nervensystem.

 

Ein paar Beispiele:

Plötzliche Prüfungsangst / Nervosität: Schlüsselbeinpunkt - Lege flach zwei Finger auf die Stelle unterhalb des Schlüsselbeins und atme ruhig 3–5 Mal tief ein und aus.

 

Herzrasen oder Atemnot: Unter dem Auge - Drücke sanft mit einem Finger auf den Wangenknochen unterhalb der Pupille, während du langsam atmest.

 

Überforderung / Reizflut: Seitlich am Auge - Lege sanft den Finger an die Schläfe, schließe kurz die Augen, atme tief und sage innerlich: „Ich bin sicher.“

 

Innere Unruhe oder Grübeln: Augenbrauenpunkt - Drücke leicht den Punkt am inneren Augenbrauenansatz, atme tief und stelle dir vor, du lässt Gedanken abfließen.

 

Konzentrationsprobleme: Kopfkrone - Lege die Handfläche oben auf den Kopf, spüre kurz den Kontakt, atme ruhig, das fördert Zentrierung und Fokus.

 

Bild: Canva

 

EFT ist für mich zu einem wertvollen Begleiter geworden.

Man kann sagen: Das Klopfen bricht den Alarmzustand und bringt den Körper zurück in Sicherheit und Regulation.


Es erinnert mich daran, dass Ruhe nicht von außen kommt,

sondern aus mir selbst heraus entsteht.

 

EFT ist ein Werkzeug der emotionalen Selbstregulation,

das den Körper beruhigt, das Gefühl integriert und das Denken wieder aktiviert.

 

Ob durch sanftes Klopfen oder achtsames Halten:
Jede Berührung ist eine Einladung an den Körper, loszulassen.
Und manchmal beginnt genau dort, in einem einfachen,

bewussten Atemzug, die Freiheit, die wir suchen.

 

 

 

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