„Ich war Schrödingers Katze.“ Zumindest behauptet die Welt das. Ich war da, und manchmal war ich auch nicht da. Manche sagen, ich sei seine „berühmte Katze“, aber ich weiß es besser: Ich war Schrödingers Beobachterin, stille Begleiterin, Kritikerin, seine Muse.
Manche sagen, ich sei lebendig gewesen, andere nennen mich tot. Ich aber weiß: Ich war beides, da und nicht da, frei wie der Wind. Und vielleicht war genau das der Grund, warum ich so gern an der Seite meines Schrödinger lebte.

Foto: PRIVAT
Ein Kind, das anders war
Schon als Kind war er anders. Ich habe es selbst erlebt: Während die anderen Jungen im Hof lärmten, saß er still da, schaute den Staubkörnchen im Sonnenlicht nach und fragte sich, ob sie wohl tanzen, weil jemand sie bewegt, oder ob sie von selbst tanzen.
Für den kleinen Schrödinger konnte unter jedem Stein ein Universum verborgen liegen.
Doch anders als andere Kinder, die sich in ihrer Welt verloren hätten, blieb er offen, neugierig, liebevoll.
Das darf man durchaus als ein Geschenk seiner Eltern betrachten. Seine Eltern ließen ihn. Sie drängten ihn nicht, so zu sein wie die anderen. Sie engten ihn nicht ein, sondern gaben ihm Raum und dieser Raum wurde zu seiner Welt.
Der Forscher mit der Katze auf dem Tisch
Später nannten sie ihn Professor. Für mich blieb er derselbe: neugierig, still, manchmal unruhig, immer suchend.
Wenn er an seinem Schreibtisch saß, mit zerzausten Haaren und einem Blick, der tiefer war als alle Schubladen der Menschen, dann sprang ich leise auf den Tisch, legte mich zwischen seine Papiere und schnurrte.
Er war Forscher, ein Genie, das die Welt der winzigsten Dinge erkundete: Quantenphysik, ein Wort, das so trocken klingt, dass es staubiger wirkt als Staub.
Doch er war nie abgehoben, weltfremd. Er konnte die kompliziertesten Dinge in Bilder verpacken, so dass selbst ich, eine Katze, verstand, was ihn bewegte. Er sah Zusammenhänge, die andere nie wahrnahmen, brachte sie zum Leuchten, ohne je die Menschen um ihn herum zu vergessen.
Mein Schrödinger war gesellig und einsam zugleich. Er konnte lachen, feiern, reden und doch zog er sich immer wieder zurück in die Stille, wo er die größten Zusammenhänge fand und auftanken konnte, für seine vielen tiefgründigen Begegnungen mit Menschen.
Er war ein Familienmensch, aber auch ein unruhiges Herz. Sein Umfeld lernte seine unkonventionellen Seiten zu schätzen, denn sie erkannten seine genialen Potentiale. Ein nahbarer, liebevoller, aber hochsensibler Mensch, der in seiner Umgebung den Freiraum für sich selbst und andere schuf.
Die berühmte Kiste und das große Missverständnis
Und dann kam diese berühmte und verrückte Kiste. Schrödingers Katze, ein Gedankenexperiment.
Alle dachten, er hätte mich eingesperrt. Welch ein Missverständnis!
Er sperrte nie mich ein, sondern seine eigene Frage: Was ist Wirklichkeit?
Bin ich dies oder das, oder vielleicht alles zugleich? Ich aber blieb frei. Freier als frei. Ich war lebendig und tot, sichtbar und unsichtbar, Katze und Sinnbild. Ich durfte SEIN. Es war nie eine Falle. Es war ein Spiel, ein Bild, eine Brücke:
Das Unsichtbare, das Ungewisse, das Sowohl-als-auch ist nicht bedrohlich. Es ist lebendig und voller Möglichkeiten.
Schrödinger, der Hochsensible
In Wahrheit war mein Schrödinger wie ich: hochsensibel.
Er nahm mehr wahr, fühlte tiefer, verband Dinge, die andere getrennt sahen.
Er konnte sich verlieren in Gedanken, stundenlang, und er genoss es. Für ihn war das kein Kampf, kein Zwang, es war Flow. Und aus diesem Flow schöpfte er Kraft, wie aus einer Quelle, die nie versiegt.
Wir hochsensiblen Wesen verlieren uns nicht im Chaos, wir finden darin Muster.
Wir tauchen tief, wir kommen zurück, wir bringen Geschenke in Form von Ideen, Bildern, Worten, Gesten in die Welt.
Heute spricht die Welt noch immer von mir, der Katze. Aber eigentlich sprechen sie von ihm, von einem hochsensiblen Geist, der sich nicht einsperren ließ.

Die Freiheit des Kartons
Ich bin froh, die Katze in der Kiste gewesen zu sein,
nicht eingesperrt, sondern völlig frei zu SEIN.
Die kisten- und kartonliebende Katze bleibt ein
spielerisches Bild für die Freiheit des Raums, den Kinder brauchen.
Öffnet Türen, springt in eure Kartons,
seid da und manchmal eben nicht da.
Eure Einzigartigkeit ist ein Geschenk, das die Welt heller, reicher, lebendiger macht.
Denn so wie Schrödinger sein Leben lebte,
mit Freiheit, Tiefe, Humor und Liebe, so dürft auch ihr SEIN.
Zwischen Sein und Nichtsein, da liegt das Schnurren.
Herzlichst,
eure Katze aus der Kiste
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